"Sagt doch wieder mal wo Gott hockt"

Im Gespräch über den Verlust von Werten in unserer Gesellschaft kam eine überraschende Aussage: Kirchenvertreter müssten in ihren Predigten wieder vermehrt sagen, „wo Gott hockt“. Gemeint war die alte Tradition, als Pfarrer noch kraftvoll von der Kanzel herab mit warnenden Bildern prophezeiten, was passiert, wenn man vom rechten Weg abkommt.

Würde die Kirche heute wieder auf jene Bibelstellen setzen, die mit Drohungen vom Ende der Welt sprechen, so bin ich überzeugt, hätte sie sogar Erfolg. Menschen folgen gern jenen, die in Schwarz und Weiß malen. Die Kirchenbänke könnten sich füllen, das ist keine Frage. In unsicheren zeiten war das immer so. Menschen folgen gern vermeintlichen Führern.Doch entspricht das wirklich der Absicht Jesu? Das Neue Testament, der Leitfaden für Christen, erzählt eine andere Geschichte: Jesus spricht von Gott als Quelle von Vergebung, Neuanfang, Freiheit, Vertrauen und Hoffnung – nicht als strafendem Rachegott mit dem Hammer in der Hand.

Wir Menschen sind es, die ihren Weg selbst finden müssen. Das Evangelium ist eine Einladung zu einem besseren Leben, eine Tür zu Freiheit, nicht zu Fesselung. Gott bricht sein Versprechen nicht: Wir bleiben frei – mit allen Chancen wie Risiken. Er macht uns nicht zur Marionette, sondern zum Gestalter unseres Weges, auch wenn das bedeutet, dass unsere Freiheit Leid und Krieg verursachen kann.

Aber letztlich entlässt Gott uns nicht aus der Verantwortung. Wir stehen gerade für das, was wir tun – oder unterlassen. Gott hockt nicht oben im Himmel und zieht die Fäden, sondern lebt in unseren Herzen. Es liegt an uns, ob unser Herz zur Mördergrube wird oder zum Kompass unseres Handelns. Verantwortung für uns selbst – das ist die Botschaft, die bleibt.